Projektmanagement

Ein kritischer Blick auf Produktivität (4/4)

Ein kritischer Blick auf Produktivität (4/4)

Im ersten Teil der Artikelserie findet man einen Überblick darüber, was ich unter Produktivität in Softwareentwicklungsteams verstehe und welche Faktoren Einfluss auf diese haben können. Will man produktiv sein, ist es notwendig die wirklich wichtigen Dinge zu identifizieren und fokussiert an diesen zu arbeiten.

3. Fokus und “Flow”

Ich treffe selten jemanden aus unserer Branche, der/die nicht jammert über zu viel Stress und Arbeit. Prinzipiell ist das ein gutes Zeichen für die IT, andererseits kein gutes Zeichen für die Menschen (Burnout & Co lassen grüßen…). Was bei der vielen Arbeit oft verloren geht ist der Fokus auf das Wesentliche - auf die wirklich wenigen wichtigen Dinge. Ist man in der Lage zu priorisieren und zu einem Zeitpunkt den Fokus auf die aktuell wichtigste Aufgabe zu halten, bringt man meiner Erfahrung nach mehr Leistung, als wenn man versucht zu multitasken und gleichzeitig auf zu vielen Baustellen unterwegs zu sein.

Als ich kurze Zeit dachte, ich möchte Fluglotsin werden (nicht zu verwechseln mit Flugbegleiterin ;-)), war es ein schwerer Schlag ins Gesicht, als ich nach dem Aufnahmetest die Antwort bekam “leider durchgefallen, Sie haben bei den Multitasking-Aufgaben nicht gut abgeschnitten”. Autsch! Es war sicher besser für die Welt, damit keine Flugzeuge abstürzen. Was aber mache ich? Eine Frau, die nicht multitaskingfähig ist? In der Softwareentwicklung gab es zum Glück Platz. Was ich nämlich an diesem Job liebe ist, dass man bei der Lösung eines Problems oder beim Finden eines Fehlers so richtig tief eintauchen und rundum alles ausblenden kann. Fokus par excellence! Seit ich Kinder habe, sind diese Momente rar. Seit ich sehr viel Softwareprojektmanagement mache, ebenso. Ich halte es aber für absolut unumgänglich, als SoftwareentwicklerIn für Zeiten zu sorgen, in denen man ungestört arbeiten kann. Ich nenne das auch gerne in den “Flow” zu kommen. Das Wort gefällt mir und passt für die Softwareentwicklung genauso wie für Yoga oder Kinder beim Spielen.

Wird der Softwareentwicklungsalltag immer wieder unterbrochen (wenn auch nur kurz), ist es schwer, in einen längeren Zustand der Konzentration zu kommen. Bei Kindern heißt es, wenn sie beim Spielen im “Flow” sind, darf man sie nicht unterbrechen. Nicht mal mit ihnen reden. Werden sie andauernd aus diesem Zustand gerissen, lernen sie nie, sich für längere Zeit zu konzentrieren. Bei der Softwareentwicklung kommt mir das ebenso bekannt vor. Es braucht oft ein wenig, bis ich richtig konzentriert in ein Thema eintauche, aber dann entwickeln sich wie von selbst sehr kreative Lösungen. Umgekehrt kennt jeder auch die Situation, andauernd unterbrochen zu werden. Ein Task wird dann einfach nicht fertig. Nach jeder Unterbrechung muss man sich wieder reindenken. Kaum ist man dabei richtig loszulegen - nächste Unterbrechung. Wieder von vorne… Wenn es vielen MitarbeiterInnen so geht, kann man sich vorstellen, was das für die Produktivität heißt!

Zusammenfassend heißt das: um Produktivität zu steigern hilft es, für Fokus und “Flow” zu sorgen.

Hier ein paar Anregungen:

  • Besprechungen unterbrechen den Flow. Abhilfe schaffen das Einplanen von besprechungsfreien Zeiten, Besprechungen an bestimmte Tage bzw. Tageszeiten zu legen.

  • Zeiten der ungestörten Arbeit genauso einplanen, wie Besprechungen. Wenn ich weiß, ich habe ein kniffliges Thema, blocke ich mir gerne ganze (Halb-)Tage aus, um mich nur diesem Thema zu widmen.

  • Dafür sorgen, dass man nicht unterbrochen wird. Ich habe festgestellt (Danke Corona!), dass sich Homeoffice super dafür eignet, vor allem wenn man ansonsten im Großraumbüro sitzt. Ist man im Büro, kann man den KollegInnen anders mitteilen, dass man gerade nicht gestört werden möchte (durch explizite Kommunikation, durch ein Zeichen oder Symbol auf dem Tisch, etc.)

  • Limit your Work-in-Progress! Es ist ein Mantra, dass genauso im Projektmanagement also auch im persönlichen Alltag gilt. Zu viele Baustellen machen einen langsamer, als schneller. Je weniger Baustellen gleichzeitig vorhanden sind, um so fokussierter kann man sich genau der einen Sache widmen, die gerade am Wichtigsten ist.

  • Lerne dich selbst kennen! Jede(r) tickt und arbeitet anders. Wenn man sich selber gut beobachtet und kennenlernt, erkennt man auch, wie die Voraussetzungen sein müssen, um konzentriert arbeiten und daher gute Leistung bringen zu können. Ich für mich weiß, dass ich ausgeschlafen sein muss und ich spät abends nicht mehr viel auf die Reihe bekomme. Habe ich aber die Möglichkeit, in den frühen Morgenstunden zu arbeiten, ist das eine sehr produktive Zeit! Ich kenne aber auch Menschen, die sind richtige Eulen und haben die besten Ideen, wenn es schon dunkel wird. Probiere Verschiedenes aus. Finde heraus, was für dich passt und kommuniziere es deinen TeamkollegInnen. So kann aus vielen einzelnen Produktivitätsoptimierungen gesamtheitlich viel erreicht werden!

Zusammenfassung

Zu versuchen, auf vielen Baustellen gleichermaßen Fortschritt zu bringen, stellt eine große Herausforderung dar. Der Fokus auf die aktuell wichtigste Aufgabe und genügend Phasen der ungestörten Arbeit daran, tragen merklich zur Produktivität bei.

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